Träume

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Auf den Flügen der Träume entstanden unzählige Märchen über den Mond. Der griechische Wanderlehrer Lukianos (er lebte 120 n. Chr. in Samasota am Euphrat), verfaßte in seiner Sammlung Wahre Geschichten auch eine über den Mond. Sein Held gerät mit seinem Schiff jenseits der Säulen des Herakles [Gemeint sind die Felsen Gibraltars, die das ruhige Mittelmeer von der schier unendlichen Weite des atlantischen Ozeans trennen] in einen Sturm. Sein Schiff wird emporgeschleudert und landet nach sieben schrecklichen Tagen und Nächten auf dem Mond. Sogenannte Hippogryphen leben dort, die auf dreiköpfigen Riesengeiern reiten. Sie müssen nichts essen, sondern leben von der Luft und dem Duft von Speisen. In Restaurants bezahlen sie ihre Mahlzeiten mit Versen und Gedichten.

Somnium nannte der Astronom und Astrologe Johannes Kepler seine literarische Darstellung einer Reise zum Mond. Wie man dort hinkommt, läßt er völlig offen. Auf Levania, wie er die Mondwelt nennt, leben sogenannte Endymioden, schlangengestaltige intelligente Lebewesen, die er noch ein mal in Erdzugewandte (Subvolvani) und Erdabgewandte (Privolvani) unter teilt. Er bezieht sich dabei auf die astronomische Tatsache, daß der Mond selbst nicht rotiert und der Erde immer die gleiche Seite seiner blaß schimmernden Oberfläche zuwendet [Will 1996]. Kepler flocht in seinen Mondtraum Schilderungen magischer Praktiken ein. Unter dem Eindruck des Hexenprozesses gegen seine Mutter sah er sich genötigt, alle Quellen seiner Inspiration offenzulegen. Er dachte auch daran, dem Buch eine Übersetzung von Plutarchs De facie in orbe Lunae beizugeben. Auch überlegte er, seinen Mondentraum Somnium als literarischen Gegenpol zu Tommaso Campanellas Sonnenstaat zu gestalten: Wie, wenn ich einen „Mondstaat“ schriebe?
Wäre es nicht ausgezeichnet, die zyklopischen Sitten unserer Zeit in lebhaften Farben zu schildern, dabei aber der Vorsicht halber die Erde zu verlassen und auf den Mond zu gehen?
Doch was wird eine solche Flucht nützen? Waren doch auch Morus in „Utopia“ und Erasmus im „Lob der Torheit“ nicht sicher, so daß sich beide verteidigen mußten.
Lassen wir daher lieber dieses Pech der Politik beiseite und bleiben wir auf den lieblichen Auen der Philosophie. Astronomisch näherte sich Kepler durch ein Fernrohr, das er für einige Wochen von einem Adeligen geliehen bekam, und entdeckte kreisförmige Kraterwälle, in denen er Stadtmauern sah. Astrologisch blieb er – auch wenn er vieles auf diesem Gebiet erneuerte – der traditionellen Deutung verhaftet. Dies zeigt eine Passage aus Keplers Deutung des Wallensteinhoroskops.

Im Jahre 1608 erschien bei ihm in Prag der Arzt Dr. Stromayr mit dem Auftrag, im Namen eines 25jährigen, unter dem 51. Breitengrad in Böhmen geborenen Edelmannes die Nativitätsdeutung zu erbitten [Henseling 1940:32]. Kepler schrieb: Und weil der Mond verworfen stehet, wird ihm diese seine Natur zu einem merklichen Nachteil und Verachtung bei denen, mit welchen er zu konversieren hat, gedeihen, daß er für einen einsamen, lichtscheuen Unmenschen wird gehalten werden, wie er denn auch sein wird unbarmherzig, ohne brüderliche oder eheliche Lieb, niemand achtend, nur ihme und seinen Wohllüsten ergeben, hart über die Untertanen, an sich ziehend, geizig, betrüglich, ungleich im Verhalten, meist stillschweigend, oft ungestüm, auch streitbar, unverzagt, weil Sonnen und Mars beisammen, wiewohl Saturnus die Einbildungen verderbt, daß er oft vergeblich Furcht hat ...

Albrecht von Wallenstein, Herzog von Sagan und erfolgreichster Heerführer des 30jährigen Krieges, trug diese Horoskopdeutung jahrzehntelang mit sich herum. Im Alter lud er Kepler ein, auf seinen Stammsitz im böhmischen Sagan zu wohnen [Strube 1985]. Dort wurden auch die ersten Exemplare des Mondtraumes gedruckt. Veröffentlich wurde Somnium erst 1634 posthum durch Keplers Sohn.

Auch Wallenstein starb in diesem Jahr – ein Meuchelmord durch die Hand seiner engsten Vertrauten. Ob die verworfene Natur seines Mondes die Schuld dafür trägt, daß er merklichen Nachteil und Verachtung erfuhr bei denen, mit welchen er zu konversieren hatte?







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Planetengott Jupiter

Jupiter

als mittelalterlicher
Holzschnitt












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